Читать книгу Mich hat niemand gefragt. Die Lebensgeschichte der Gertrud Mosimann онлайн
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Mit sieben komme ich in die Schule. Lehrer Binz ist ein gütiger Mann, der mir die Buchstaben auf die Schiefertafel schreibt und meine Hand beim Schreiben führt. Mehr tut er allerdings nicht für meine schwachen Augen. Was auf der Wandtafel steht, kann ich nicht sehen.
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Wenn ich in die Schule gehe, warte ich immer am Strassenrand auf die grossen Sekundarschülerinnen. Die lasse ich vorbeigehen und folge ihnen dann, sie sind meine Wegweiser.
In jenem Winter fällt ziemlich viel Schnee. Vor dem letzten Schneefall hat der Bauer Jauche ausgefahren, und jetzt hat Tauwetter eingesetzt. Das Wasser sammelt sich zusammen mit der Jauche im Graben unten am Wiesenbord zu einer braunen Brühe. Ich warte am Strassenrand, mit dem Rücken zum Graben, auf die grossen Mädchen, da kommt noch vorher ein Drittklässler gelaufen. Den fürchte ich, er mag mich gar nicht, er hat mir schon oft «Schilibingg» nachgerufen. Jetzt pflanzt er sich vor mich auf, und ehe ich mich's versehe, gibt er mir einen so heftigen Stoss, dass ich rückwärts in den Graben falle. Dort bleibe ich weinend in der eiskalten, stinkenden Brühe liegen, bis mich jemand findet. Es ist jener Bauer, dessen Pferden ich zwischen den Beinen durchgefahren bin.