Читать книгу Mich hat niemand gefragt. Die Lebensgeschichte der Gertrud Mosimann онлайн

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In der Wohnung will ich nicht bleiben, da hätte mir die Bucherin die Brille gleich wieder abgenommen, also schleiche ich mich nach draussen. Das gibt ein Hallo unter den Kindern!

«Das Trudi hat eine Brille!»

«Brillenschaaggi, Brillenschaaggi!»

«Komm, zeig, ich will sie auch mal probieren!»

«Nein, pass auf, sonst geht sie kaputt!»

Ein Bub reisst sie mir von der Nase, um sie sich selber aufzusetzen, ein anderer will sie ihm wegnehmen, er lässt sie fallen, und in dem Gerangel tritt jemand drauf. Wie ich sie aufhebe, sind die Gläser zerbrochen und das Gestell verbogen. Ich wickle sie in ein Taschentuch und lege sie in die Schultasche. Ach, wenn ich am Montag nur nicht zur Schule müsste! Wenn ich doch sterben könnte!

«Trudeli, hast du deine Brille vergessen?» fragt die Lehrerin. Statt einer Antwort breche ich in Tränen aus.

«Komm schon, komm, erzähl mir, was ist passiert?» beschwichtigt sie.

Die andern Kinder kommen mir zu Hilfe und berichten, was vorgefallen ist. Fräulein Otter bringt dann die Brille eigenhändig zum Optiker und lässt auf ihre Kosten eine neue anfertigen. Sie sorgt dafür, dass ich sie ungestört tragen kann. Ich fühle mich zu Beginn recht unsicher, ich habe immerzu das Gefühl, der Boden senke sich vor meinen Füssen weg, der lange Schulhausgang sieht aus wie eine Rampe, und ich fürchte, ins Leere zu treten. Nach einigen Tagen gewöhne ich mich daran, und auch die andern Kinder vergessen, dass ich eine Brille trage. Sie verbessert meine Sehfähigkeit merklich, vor allem auf die Nähe. Von der vordersten Bank aus kann ich jetzt immerhin einigermassen erkennen, was auf der Wandtafel steht.

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