Читать книгу Mich hat niemand gefragt. Die Lebensgeschichte der Gertrud Mosimann онлайн

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So kommt es, dass ich innerhalb eines knappen halben Jahres zum dritten Mal den Pflegeplatz wechsle.

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Ich werde von einem grossen, schlanken Mädchen mit langen Zöpfen abgeholt. Es kommt mit einem Leiterwagen und fragt nach meinen Sachen. Ich habe einen braunen Puppenwagen, dazu Mutters Japankörbchen mit den Kleidern und der Puppe. Vertrauensvoll lege ich meine kleine Hand in Hedis rechte Hand, mit der linken zieht es den Leiterwagen. Zusammen wandern wir im Nieselregen die Badenerstrasse hinaus in die Kalkbreite. Von Anfang an ist mir wohl bei Hedi.

Ich lebe vier Jahre bei Familie Bucher. Sie zieht in diesem Zeitraum mehrmals um und ich mit ihr. Die Bucherin ist eine grosse, sehr dicke Frau und, gelinde gesagt, exzentrisch. Sie ist launisch und unberechenbar, manchmal freundlich, dann wieder missgelaunt und schimpfend. Sie soll einen Hirntumor haben und leidet fast immer an Kopfschmerzen. Sie verkehrt in spiritistischen Kreisen. Ob ihre geistige Verwirrung dem ersten oder dem zweiten Umstand zuzuschreiben ist, kann ich nicht sagen. Sie brummt häufig vor sich hin und ruft manchmal laut den verstorbenen Grossvater oder irgendwelche Geister an. In diesem Zustand nimmt sie mich nicht wahr, vergisst mich manchmal regelrecht. Möglicherweise haben die häufigen Wohnungswechsel mit dem Geisteszustand der Bucherin zu tun.

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