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«Er hat mich doch verraten.» Die Alte vergaß in ihrer neu aufbrechenden Enttäuschung den Anstand, den sie sonst für so nötig hielt, und sagte «er», damit zugestehend, dass der alte Herr ihr mehr gewesen war als nur der Padrone.

«Er hat mich doch verraten.» Denn das Testament lautete so. Die Alte stand auf, und wie sie in ihrer fernen Kindheit wohl biblische Sprüche im Katechismus-Unterricht hergesagt hatte, so sagte sie jetzt den ganzen, ach so oft wiederholten Text des Testamentes.

«Haben Sie gehört, Sciora, haben Sie dieses gehört?» Und sie wiederholte jene Stelle im Testament, die Unglück und Niederlage für sie bedeutete: «Eine Wohnung im Palazzo bis zu ihrem Tode.» Nach einer Pause sagte sie: «Und mehr nicht … Man könnte fluchen über eine solche Niedertracht, wenn man nicht ein Christenmensch wäre.»

Die Sciora nickt mit dem Kopf. Sie spürt den Schmerz der alten Frau, anderen Leuten das überlassen zu müssen, für was man ein Leben lang gearbeitet und gesorgt hat und woran das Herz mit aller Kraft hängt, und wenn es auch unvernünftig ist, dass es da­r­an hängt. Es war unvernünftig, denn was sollte die einsame Frau mit dem großen Haus beginnen? Sie hatte die Mittel ja nicht, es zu unterhalten und wahrscheinlich war das der Grund, warum der alte Herr ihr den Palazzo nicht vermacht hatte. Aber die Sciora fühlte die Enttäuschung der Teresa mit und fand auch, der alte Herr habe nicht recht getan. Ein Beweis dafür schien ihr die Tatsache zu sein, dass die rechtmäßigen Erben nichts mit dem Haus anzufangen wussten und es verkauften. Das hätte die Teresa nie getan, sie hätte das Haus behalten.

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