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Seit dem Tode seines Freundes, des Sindaco, blieb er mehr zu Hause. Wenn man ihn traf, setzte er eine jämmerliche Miene auf und seufzte. Er sprach davon, manches sei ihm verleidet. So waren die Sciori nicht erstaunt, als er sie im Herbst darauf in der Stadt besuchte. Er war in ein neues Gewand gekleidet, sein Schnurrbart stand eingefettet spitzig auf beiden Seiten heraus. Ein Vetter von ihm, berichtete er, derjenige, der in Südamerika die vierzehn Millionen verdient hatte, «ja, verdient, was denn sonst?», dieser Vetter habe ihn nach Frankreich eingeladen, um Luft und Gedanken zu wechseln und für solange, als es ihm passen würde. Warum sollte er nicht zugreifen? Und so habe er sich auf den Weg ge­macht. Er werde voraussichtlich einige Monate in Paris bleiben.

Darüber wunderten sich die Sciori nun doch. Ihr Herr ­Martino in Paris? Sie wussten, wie verhasst ihm jede städtische Kleidung war. Zu Hause ging er in verwaschenen Halbleinhosen, ohne Strümpfe, ein netzartiges Hemd mit Ausschnitt um seine hochgewölbte Brust gespannt und als Schutz auf seinem dunkeln Krauskopf einen ungewöhnlich reich durchlöcherten Strohhut. Und wie sollte er, der Bastler, es aushalten ohne Holz und Nägel, ohne Schlösser zum Ölen oder Flicken, ohne elektrische Anlagen zum Nachsehen, ja ohne die Ölheizung der Sciori, die nicht funktionieren wollte ohne ihn. Nur er wusste ihr so zuzusprechen, wusste an den richtigen Hebelchen zu drücken, verstand Luft und Öl so zu mischen, dass diese höchst weibliche Einrichtung ihre Pflicht tat. Vor allem, wie sollte Herr Martino leben ohne sein Boggiaspiel? Er spielte mit Leidenschaft, er spielte gut, aber nicht so gut wie der Schulmeister, nicht ganz so gut, denn der Schulmeister blieb kühl und seine Hand zitterte nie vor Zorn. Darum gewann er. Meist gewann der Schulmeister. Herrn Martinos Kopf wurde dann rot wie eine Tomate, er brüllte so laut, dass die Frauen, die auf der Piazza strickten, ihn hörten und sich zunickten: «Tino verliert wieder.» Aber doch, sooft der Schulmeister Zeit hatte, spielte Herr Martino mit ihm, um ihn zu besiegen. Wie sollte er ohne diesen täglichen Ansporn auskommen? Das schien den Sciori unmöglich. Sie machten ein großes Fragezeichen zu der geplanten Reise ihres Herrn Martino, doch wussten sie aus Erfahrung mit den Leuten aus dem Tal: Fragen nützte nichts. Man bekam keine richtige Antwort. Man musste warten. Einmal würde man schon verstehen, später, manchmal erst viel später … Und so wünschten sie dem Guten Glück auf die Reise.

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