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Während diesem war die Köchin Marta mit ihrer kleinen Tochter Marietta im Palazzo erschienen, um zuerst für die verschiedenen Haustiere, Katzen, Hunde, Kaninchen und Tauben, das Frühstück zu rüsten, dann ums Haus herum zu wischen und für acht Uhr den Morgenkaffee bereitzuhalten.

Marta wohnt im Dorf. Sie ist am Morgen, wenn sie im Palazzo ankommt, stets sehr in sich gekehrt. Sie sträubt sich innerlich gegen den Arbeitstag, der wieder begonnen hat.

Sie wehrt sich dagegen und versucht, in ihre Nachtträume verhängt, das Wachwerden möglichst hinauszuschieben. Mit versponnenem Gesicht sinnt sie etwas Fernem, Schönem nach, aus dessen Wirkungskreis sie nur langsam entsinkt. Ihre Augen blicken dann, ohne zu sehen, ihre Bewegungen sind steif, bei jedem Geräusch fährt sie zusammen. Erst kleine Seufzer und Ach-Rufe künden an, dass sie sich anschickt, den Tag und seine Mühe anzunehmen.

Aber die kleine Marietta ist frisch wie ein Wiesel vom frühen Morgen an. Sie widmet sich mit Eifer ihren verschiedenen Pflichten, wovon die wichtigste ist, die Gartenwege frei zu halten von Unrat. An diesem Morgen, während ihre Mutter tiefsinnig am Herde stand und wartete, bis die Hundepolenta kochte, zog sie mit ihrem kurzen Rechen und der Schaufel im Garten herum, auf der Suche nach dem Ding, das solchen Geruch verbreiten konnte. Sie fand nichts. Verwundert kam sie zu ihrer Mutter und fragte, woher es so rieche. Marta hatte nichts bemerkt. Nein, sie habe Schnupfen, sie rieche nichts, das Kind solle hinausgehen und sie in Ruhe lassen. Sie wollte wieder in ihren Träumereien untertauchen, doch gelang es ihr nicht ganz. Sie begann nun auch etwas zu riechen, das ihr ungewöhnlich schien. Aber da­r­über nachzudenken, was es sein könnte, wollte sie nicht. Nein, nicht denken! Denken war für Marta vom Schlimmsten, was ihr zugemutet werden konnte. Eine richtige Strafe und Qual. Wenn etwas sie zwang, zu denken, so fing sie an zu weinen, als ob sie Schmerzen hätte. Sie setzte sich dann etwa, schwach, auf die äußerste Kante eines Stuhles, legte ihre Wange in die Hand und schluchzte. Wenn man sich mitleidig zu ihr neigte, um sie zu trösten, konnte man vernehmen, das sei jetzt zu viel … wirklich zu viel für eine arme Frau, die schon so viel Unglück gehabt hatte mit dem Mann und den toten Kindern. Sie werde nun wohl auch sterben, das sei das Beste, dann sei alles aus! Sie erholte sich erst langsam, wenn jemand anders für sie die schwere Frage gelöst hatte. Oder sie machte, um einer klaren Antwort auszuweichen, ein Gesicht, als ob sie frisch vom Himmel falle und sagte: «Ich weiß nicht.» Dieses «Ich weiß nicht» vermochte sie mit solcher Überzeugung zu sagen, dass niemand versuchte, mehr von ihr zu erfahren. So kam sie meistens um die für sie so peinliche Arbeit des Denkens herum.

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