Читать книгу Fern von hier. Sämtliche Erzählungen онлайн
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Plötzlich strebte Rolf von mir weg; mit offenem Mund blieb ich stehen und sah, dass er geradewegs auf einen Herrn zulief; es war der Herr, der seit einigen Tagen auf den Plakaten des Theaters seine erstaunlich schönen Zähne bleckte. Mit der einen Hand schüttelte er nun Rolfs Hand, mit der andern tätschelte er seinen Rücken – mit einer dritten hätte er ihm das Brot abgenommen, eine vierte ihm auf den Kopf gelegt und ihn mit der fünften an sich gedrückt … «Wenn er ihn nur nicht noch ableckt», dachte ich und machte auf dem Absatz kehrt.
Nun lag über der Straße ein Schatten und die Leute gingen gebückt, so dass ich nur ihre Scheitel und Hüte sah; ihre Zuversicht schien erloschen – ob sie nicht am liebsten geweint hätten wie kleine Kinder, die man an einem fremden Ort vergessen hat? Papiere, Tramkarten und Zigarettenschachteln flatterten um die Ecke. Meine Beine waren schwach wie nachlässig geknetetes und geformtes Plastilin; ich kam kaum vom Fleck und hätte mich am liebsten an den Straßenrand gesetzt. Ich hinkte stärker als vorher und meine Schulmappe war schwerer als die Aktentaschen der Herren, die in die Straßenbahnen sprangen. Sicher war Rolf ein ungewöhnlicher Junge; er würde ein berühmter Tänzer, ich aber endete als Krüppel. Mein Hals schien anzuschwellen von Tränen und ich sah die Welt auf dem Grund eines tiefen Wassers, zitternd, verschwommen und unscharf; ich mochte ihr gar nicht mehr angehören. Heute Abend im Bett würde ich so lange weinen, bis der Schlaf mich in tausend Decken gewickelt hatte und davontrug – wenn er mich wieder auswickelte, war ich in einer farbigeren, glanzvolleren Welt, in der den Kranken Flügel wuchsen und wo sie mit lächelnder Nachsicht empfangen wurden von den Schmetterlingen und Engeln, die sich manchmal auch in jenen Gegenden aufhielten.