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Andreas war Lehrer, doch da die Kinder ihm jeden Tag fremder erschienen – sie veränderten sich jeweils über Nacht; selbst ihre Sprache wurde unverständlich, und sie missverstanden auch ihn öfter –, atmete er auf, als ihm gekündigt wurde. Er erteilt nun jeden zweiten Abend einem Fräulein, das er im geheimen «Blattlaus» nennt, da es sich mit Vorliebe grün kleidet, eine Französischstunde; es hat ein neugierig spähendes Gesicht und einen Körper, der nur mit dem Wort «dumm» treffend charakterisiert werden kann; er ist nicht nur plump, sondern wirkt steif und gefühllos.

In einer Vase auf dem Tisch befindet sich ein Geschenk der Blattlaus: Plastiktulpen. Als trüge sie ein in eine Decke gewickeltes, frierendes Kind, versuchte sie das zu kleine Sei­denpapier während des Gehens durch den weißen Novembernebel immer wieder über den leblosen, grellfarbenen Blumenstrauß zu ziehen.

Andreas knipst die Ständerlampe an, lässt den Rollladen herunter, zieht die Schuhe aus und stellt sich unter die Gipsscheibe, die, in der Mitte der Zimmerdecke, eine Sonne darstellt. Er wartet, dass Segen auf ihn fiele wie Manna, wie der Heilige Geist, wie Schneeflocken, wie Samen, den der Wind in die sich öffnende Erde streut. Bald wird die Hausglocke schrillen, und die Blattlaus wird ihren stumpfen, fremden Körper in seine Einsamkeit schieben und sich am Tisch nie­derlassen und dort wie die Plastiktulpen thronen. Während sie französische Sätze herunterleiert, fließen die wasserblauen Wände auseinander, die Blattpflanzen, die sich vor der Blattlaus fürchten, richten sich auf, schlenkern ihre langen Arme und Beine und galoppieren davon auf einem schmalen, weißen Weg zwischen den Wassern.

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