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Stephan spielte jeden Tag im Hof hinter dem Haus; als ob die Brille seiner Großmutter sich vervielfältigt hätte, blinkten Hunderte von Fenstern. Am Abend sah er dahinter gelbe, weiße und rötliche Lichter, dann wurde er zum Nachtessen gerufen. Um den Hals trug die Großmutter die Maria und den Antonius, und Stephan musste die beiden vor dem Zubettgehen küssen; das ekelte ihn, als ob er den Kaugummi, aus dem jemand den Pfefferminzgeschmack längst hinausgebissen und hinausgesogen hatte, mit der Zunge hätte berühren müssen. Da er nun der Großmutter gehörte, musste er jeden Tag auf der Blockflöte «Komm heiliger Geist» und andere fromme Lieder spielen. Sein Vater war Schauspieler und Sänger; er bewunderte ihn heimlich, da die Mutter und die Großmutter ihn vor einem Leben, wie es der Vater führte, warnten. Stephan konnte nicht singen; er stotterte, und dieses Gebrechen war schuld, dass er die Hoffnung aufgegeben hatte, einst ein Mann wie sein Vater zu werden. Im Traum sah er die Großmutter mit rotem, braunem oder blondem Haar in Korridoren, in Konditoreien und vor Kirchentüren. Sie kicherte am Telefon, atmete an des Knaben Ohr, rutschte auf den Knien durch die Küche und leckte an einer weißen Taube. Am Morgen erwachte er, wenn sie ihren Nachttopf in die Toilette leerte. Sie trug stets eine große Ärmelschürze, und die Mieter grüßten mit furchtsamem Lächeln, wenn sie Staub auf der Treppe fand oder lärmende Kinder zurechtwies.

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