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Der Dornenbaum

Iselin fühlte dringend die Notwendigkeit, sich in eine Geschichte zu begeben, sich vom Leben mitnehmen zu lassen, um sich ausweisen zu können. Er machte die notwendigen Schritte, arbeitete und sparte und kaufte ein verfallenes Haus auf unwegsamem Gelände, das er ausbesserte. Er nahm eine magere, blonde Frau mit schwarzem Haaransatz zu sich, die ihn «Iselin» nannte, obwohl er einen hübschen Vornamen hatte, und die alte Kleider umänderte, die Iselin auf dem Flohmarkt in der Stadt verkaufte.

Iselin suchte erst einen Arzt auf, als die Schmerzen in seinem Körper sich zu einem Dornenbaum ausgewachsen hatten. Zwei Wochen musste er auf den Bescheid warten, dann begab er sich wieder in die Klinik. Er saß im weißen Untersuchungsraum auf einem Stuhl; seine langen Hände lagen auf den Knien, und die groben Schuhe waren schmutzig. Flüchtig dachte er an das merkwürdige Scharreisen neben seiner Haustür, das die Form einer Seejungfrau hatte, und an die Schwalben, die in der Garage nisteten. «Ihr Blut ist phan­tastisch!», rief plötzlich der Arzt und blätterte im Untersu­chungsbericht. «Es ist nicht nötig, dass Sie sich dem Messer ausliefern oder Pillen schlucken; ich verschreibe Ihnen eine Salbe gegen die Geschwulst am Hals. Sind Sie nicht froh?» – «Sehr froh», bestätigte Iselin und wartete, bis der Arzt sein hinterhältiges Kritzeln im Krankenbericht einstellen würde. Als er sich verabschiedete, erschrak er über den Blick der ältlichen Arztgehilfin, die stumm beobachtete, wie er die falsche Tür öffnete; hinter der Tür saß ein Kind in einem Laufgitter und zerriss Brot.

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