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Jeden Tag bedachte er von nun an, dass der Arzt sein Blut «phantastisch» genannt hatte; er versuchte sich einzureden, sein Blut sei der Retter, der die Krankheit wegspüle. Doch nach einiger Zeit wurde die Vorstellung, dass dieses Blut (rot plätschernd, hellrot lachend) ihn betrüge, zur Gewissheit. Noch später argwöhnte er, das Wort «phantastisch» sei überhaupt kein Grund zur Beruhigung, sondern sei im Gegenteil dem abgründigen Zynismus des Arztes, der einen Spitzbart trug, zuzuschreiben. Iselin war nun überzeugt, dass er nur zum Schein, nur versuchsweise (wie spielerisch) daran gezweifelt hatte, dass der Arzt ihn belog.

Der Frau gegenüber erwähnte er den Besuch beim Arzt nicht. Ihr fiel auf, dass er an jenem Abend, als er später als sonst aus der Stadt zurückkehrte, gezielt auf eine Biene spuckte, die auf dem Weg vor dem Haus krabbelte; früher hatte er dergleichen nie getan.

Eines Morgens riss die Haut auf Iselins geschwollenem Hals. Er fühlte sich schwach und legte sich oft mit den Schultern aufs Bett, was die Frau ärgerte, die nun die Kleider selber in der Stadt verkaufen musste. Einmal bewegte Iselin den kleinen, weißen Mund, der wie das Zeichen für «Schmerz» zwischen Nase und Kinn stand, und sagte mit der hohen, fliegenden Stimme, die ihm eigen war: «Lies mir etwas vor.» – «Lies selber», antwortete die Frau. Der Pfarrer des Dorfes besuchte ihn im roten Pullover und lachte: «Nicht so schlimm, mein Lieber; es gibt Schlimmeres! Heute beschäftigen uns: A – eine schwere Flugzeugkatastrophe in den USA, und B – eine Panne am Versuchsreaktor in München.» Iselins große Ohren am geschorenen Kopf zuckten, und der Pfarrer wartete einige Minuten, bevor er ihn verließ.

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