Читать книгу Ein Bruder lebenslänglich. Vom Leben mit einem behinderten Geschwister онлайн

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Grossmutter trug seit dieser Zeit nur noch Schwarz. Wenn sie von ihrem verstorbenen Sohn sprach, so sagte sie immer Josefli «selig». Da sie auch von ihrer früh verstorbenen Schwester vom Bethli ­«selig» sprach, meinte ich, «Selig» sei ein Familienname und die «Seligs» eine befreundete Familie.

Seit dem Tod von Josefli war Grossmutter ängstlich um die Gesundheit ihrer drei anderen Söhne besorgt, wohl nicht ganz unbegründet, wie sich später herausstellte.

Tante Gret nahm als einziges Mädchen unter vier Brüdern eine besondere Stellung ein – jedoch nicht etwa eine bevorzugte, ganz im Gegenteil –, wie sie mir einmal erzählte. Obwohl das wildeste der Kinder, wurde sie von der Mutter angehalten, im Haushalt zu helfen oder Handarbeiten zu machen, so wie es sich für ein Mädchen gehörte. Währenddessen konnten ihre Brüder draussen herumtollen. Von diesen bekam sie immer wieder zu spüren, dass Mädchen minderwertig seien. Frauen würden nicht in den Himmel kommen, prophezeiten sie ihr. Später relativierten sie, die Frauen müssten sich jedoch sehr anstrengen, um dorthin zu gelangen. Es war der Kaplan, der den Jungen im geschwisterlichen Streit Schützenhilfe bot, wenn er sich von der Kanzel herab über die immer heulenden Mädchen lustig machte und sich theatralisch mit dem Zipfel seines Chorrocks über die Augen fuhr. Diese Erfahrungen mögen mit ein Grund gewesen sein, dass Tante Gret nie heiratete.

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